Junge.Kirche 5/2003

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in einem der mutigsten Artikel in den ersten Jahrgängen der Junge.Kirche schrieb 1935 Günter Jacob: Der protestantische Prediger darf sich nicht auf das weite, freundliche „Feld seiner apokryphen Betätigungen“ verlieren. „Denn die Kirche ist nicht Erziehungsanstalt, Seelenklinik, Wohlfahrtsorganisation. Sie ist der Haufe der dem Worte Hörigen mitten in der Welt … Mit dem Wort hat der Prediger gegen die Welt zu stehen, gegen das Weltliche seiner selbst und seiner Zeit.“ Diese steile Zuspitzung auf diese theologische und politische Position, die aus dem Kirchenkampf gewonnen wurde, klingt abgrenzend und patriarchal, hat aber auch wesentlich eine befreiende Dimension. Sie nimmt das BÜNDNIS 2008 auf, das sich im letzten Jahr in der bayerischen Landeskirche gegründet hat, und stellt in Anlehnung an die Barmer Thesen fest: „Unsere Kirche verfehlt ihren biblischen Auftrag, wenn sie den Entwicklungen, die vom Prinzip des totalen Marktes bestimmt sind, nicht widerspricht und die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche ignoriert.“ Auch zwei Statements von Theodor Immer und Hans-Jürgen Benedict fragen nach der Tradition der Junge.Kirche für heute. Benedict bringt die Zukunftsfrage auf den Punkt: „Glaubt und lebt die Kirche die Ökonomie der Gnade?“ Wolfgang Grünberg zeigt am Beispiel Hamburg-Barmbeks, wie stark auch eine moderne Stadtkirchenarbeit in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Dimension auf die Verheißung des Geistes Jesu Christi vertrauen muss. Dabei lässt sich allerdings erleben, dass gelegentlich der Stadtteil frömmer ist als die Kerngemeinde, die sich als „Heiliger Rest“ in Burgmentalität verschanzt.

Welche Sozialgestalt soll nun aber Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden haben? Für den ostdeutschen Theologen Claus-Dieter Schulze hat nur eine Umstrukturierung hin zu einer „mündigen Gemeinde“ Zukunft. Auch Hildegard Zumach hat in den Auseinandersetzungen um den Früchteboykott der Evangelischen Frauenarbeit erlebt, dass Kirche wesentlich Gemeinde und Gruppe an der Basis ist und wie befreiend dort der Streit um richtiges Handeln sein kann. Für sie ist Kirche nur als Gemeinschaft von Frauen und Männern vorstellbar. Andernfalls wäre es eine „amputierte Kirche“. Den innerkirchlichen Trend, angesichts massiver Sparzwänge die Ortsgemeinde als Modell der Zukunft zu propagieren, bewertet Ralph Ludwig als rückwärtsgewandt. Ganz klar tritt Helga Trösken dafür ein, die punktuelle oder auf Lebensphasen bezogene Teilhabe von Menschen an der Kirche zu akzeptieren. Sie fordert offene Kirchentüren nach innen wie nach außen. Volkmar Deile zeigt auf, wie die ganz besondere „Kirche auf Zeit“ des Kirchentages Veränderungen in den Kirchen bewirkt.

Wie werden Bedeutung und Glaubwürdigkeit der Kirche von der Seite der Medien wahrgenommen? Ursula Ott formuliert ihre Wünsche an die Kirche und erwartet „keine feierlichen Events“, sondern sachkundige Antworten und Selbstbewusstsein. Phillipp Gessler betrachtet die öffentlich-gesellschaftliche Bedeutung der Kirche und kommt zu dem Schluss: Die Kirchen haben im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen, allerdings nur, wenn sie in der Gesellschaft vorhandene Fragen wie mit dem Sozialwort „richtig“ beantworten und fundiert argumentieren.

Die Junge.Kirche wird zum nächsten Jahr eine große Umgestaltung erfahren. Bitte lesen Sie dazu die folgende Seite.

Ihre Silvia Wagner