Junge.Kirche 3/2002

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Redaktionsteam hatte sich vorgenommen, in dieser Junge.Kirche die friedensethische Diskussion früherer Jahre aufzugreifen und zu prüfen, ob die Positionen von damals heute noch realitätstüchtig sind. Das Ende der Blockkonfrontation, die „Politisierung von Ethnizität“ in bewaffneten Konflikten, die brutale Gewalt innerstaatlicher Kriege, die Relegitimierung des „gerechten Krieges“ und dessen Nutzung zur Rechtfertigung „humanitärer Interventionen“, die Zwangsfixierung auf militärische Mittel bei der Bekämpfung des Terrorismus und die Instrumentalisierung der Religionen für die Rechtfertigung tötender Gewalt – das sind die Themen einer zeitgemäßen Friedensethik.

Fernando Enns spiegelt im Interview mit Klaus Heidel die schwierigen Debatten im Ökumenischen Rat der Kirchen und in der Dekade zur Überwindung von Gewalt wider. Wie Samuel Kobia vom ÖRK verlangt er von den Kirchen mehr als ein „Jein“ zu kriegerischer Gewalt. Beide sind gegenüber „humanitären Interventionen“ skeptisch, weil Kriege keine Probleme lösen. Sie betonen die Prävention von Gewalt als Aufgabe der Ökumene, ohne die Versöhnung nach bewaffneten Konflikten aus dem Blick zu verlieren. Heinz Missalla stellt die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz „Gerechter Friede“ vor, die ein für alle Mal vom gerechten Krieg Abschied nimmt. Orientiert an einem Friedensbegriff, der die sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Probleme umgreift, vertreten die Bischöfe die „vorrangige Verpflichtung der Gewaltfreiheit“, die schon im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung als „vorrangige Option für die gewaltfreie Lösung von Konflikten“ formuliert wurde. Der konziliare Prozess kommt auch in Marianne Subklew-Jeutners Bericht über den Pankower Friedenskreis vor, der seit 1981 in der DDR widerständiges Denken und Handeln einübte und bis heute weiterarbeitet, wenn sich die politischen Wege seiner zum Teil prominenten Mitglieder auch auseinander entwickelt haben.

Das ist das eine: Die Perspektive der Gewaltfreiheit festhalten und versuchen, dieser Hoffnung die notwendigen Instrumente zu verschaffen. Zum Friedensdienst gehört aber auch die sehr viel schwierigere Aufgabe, in jeder Situation auf die Minderung der Gewalt hinzuwirken. Was heißt es, in der Situation eskalierender Gewalt „doppelte Solidarität“ mit Israelis und Palästinensern zu üben? Darauf antworten Paul Löffler und die Stellungnahme des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten. Beide geben uns auch Kriterien an die Hand zu der Frage, wie israelische und palästinensische Politik hier zu kritisieren ist. Adam Keller analysiert, wie es zu der neuerlichen Gewalteskalation gekommen ist. Die Frauen, mit denen eine Mitarbeiterin von Erev Rav sprach, versuchen, in einer Situation gewaltsam konkurrierender Rechte beider Völker die Perspektive sich komplementär ergänzender Rechte nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine Hoffnung, von der auch Ulrich Schwemers Reisebericht erzählt. Unter den Menschen selbst ist der Friedensprozess nicht so tot, wie das auf der politischen Ebene der Fall ist.

Kurz vor Redaktionsschluss erreichten uns zwei unerwartete Mitteilungen. Am 17. Mai ist der langjährige Mitarbeiter der Junge.Kirche Michael Benckert gestorben, am 25. Mai starb unser Mitherausgeber Friedrich-Wilhelm Marquardt. Sie sind wichtige Förderer und Inspiratoren dieser Zeitschrift gewesen. Wir verdanken ihnen sehr viel. Im nächsten Heft werden wir darauf ausführlicher zurückkommen.

Mit den traurigen Grüßen des Redaktionsteams Volkmar Deile