Junge.Kirche 1/2002

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Es gibt ein Gefühl von Wow!, wir sind Europäer“, so hat ein belgischer Hochschullehrer die Stimmung in seiner Heimat nach der Einführung des Euro beschrieben. Andere Europäerinnen und Europäer beäugen die neue Währung skeptischer. Viele haben Vorbehalte gegenüber dem europäischen Einigungsprozess, wie er unter Leitung der Europäischen Kommission und der nationalen Regierungen gestaltet wird. Lang ist die Liste unsinniger Beschlüsse und Verordnungen, die die Brüsseler Bürokratie geplant und durchgesetzt hat – und deren Konsequenzen die Bürger in den Mitgliedsländern tragen müssen.

Es gibt also Grund zur Unzufriedenheit, aber auch Grund zur Freude darüber, dass Europa trotz aller Hindernisse eine Realität wird. Wer heute von Finnland nach Italien reist, kann sich kaum noch vorstellen, dass hier vor kaum mehr als einem halben Jahrhundert der blutigste Krieg der Weltgeschichte getobt hat. Wie bunt das vereinte Europa ist, schildert Margriet Gosker am Beispiel der Stadt Amsterdam. Christoph Raiser stellt das ökumenische Agape-Zentrum in Norditalien vor.

Nun haben viele Europäer eine gemeinsame Währung, das ist praktisch, aber kein Ersatz dafür, dass Europa eine Seele bekommt, damit der Kontinent mehr wird als ein riesiger Supermarkt. Hier sind auch die Kirchen gefordert. In diesem Heft erläutert Wolfgang Thierse, wie die europäische Integration eine geistige Dimension bekommen kann. Doris Peschke und Martina Severin-Kaiser stellen in einem Beitrag aus Brüssel dar, wie die Kirchen ihren Platz im europäischen Integrationsprozess suchen. Michael Bünker macht sichtbar, wie sich die ökumenische Bewegung in Europa auf den Weg zu mehr Gemeinsamkeit gemacht und was sie bisher erreicht hat. Gut vorangekommen ist die Zusammenarbeit von kirchlich engagierten Frauen in Europa, dazu ein sehr lesenswerter Beitrag von Elzbieta Adamiak aus Polen.

Es darf nicht übersehen werden, dass im vereinten Europa viele draußen vor der Tür bleiben, und dies auch nach der Osterweiterung der EU. Die Länder, die nicht aufgenommen werden, sind wirtschaftlich und politisch in einer isolierten Position. Noch schlechter geht es den Menschen, die Europa zu ihrer neuen Heimat machen wollen und die mit allen erdenklichen Methoden daran gehindert werden. Dominique John gibt hierzu in einem Interview ausführlich Auskunft. Die europäische Integration wirft auch die Frage auf, wie sich das Verhältnis unseres Kontinents zum südlichen Nachbarn Afrika in Zukunft gestalten wird, Anlass für einen Briefwechsel zwischen Martin Stöhr und Wolfram Kistner. Der Nachrichtenteil dieses Heftes hat ebenfalls den Schwerpunkt Europa. Im Besprechungsteil geht es vor allem um das belastende Erbe, das wir Deutschen in dieses Europa einbringen, also die Zeit des Nationalsozialismus.

Die Einführung des Euro hat auch Konsequenzen für die Abonnentinnen und Abonnenten der Junge.Kirche. Wir haben die Währungsumstellung aber nicht genutzt, um den Preis zu erhöhen, sondern DM exakt in Euro umgerechnet.

Zum Schluss die gute Nachricht, dass die Bitte um eine Unterstützung der Jungen Kirche in finanziell schwierigen Zeiten viele Leserinnen und Leser zu Spenden veranlasst hat. Außerdem haben die Landeskirchen in Bayern, Bremen, Hannover und Hessen-Nassau sowie die Evangelisch-reformierte Kirche sich bereiterklärt, die Herausgabe von jeweils einer Ausgabe der Jungen Kirche finanziell zu unterstützen. Wir danken für diese Unterstützung und hoffen auf weitere Spenden sowie Zusagen von Landeskirchen. Insgesamt sind bisher mehr als 57.000 Euro an Spenden und Zuschüssen eingegangen. Die Zeitschrift europäischer Christinnen und Christen hat so eine Zukunft.

Herzliche Grüße vom Redaktionsteam dieses Heftes Frank Kürschner-Pelkmann