Junge.Kirche 12/2000

 

„Die Hoffnung kennt tausendundeine Geschichte”, lautet die erste Zeile eines Gedichtes von Dorothee Sölle in diesem Heft. Der Hoffnung und den Geschichten, die davon erzählen, was bereits im Leben gelungen ist, wollen wir uns in diesem vorweihnachtlichen Heft widmen. Denn Hoffnungsgeschichten brauchen Raum. Als Gegengewicht zu den Nachrichten mit ihren Todesmeldungen. Es ist wichtig, dass wir diese Todesdaten nicht übersehen, nicht die Gewaltanschläge auf Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, nicht das Erstarken des Rassismus, nicht die Toten der Kriege weltweit, nicht die Opfer von menschengemachten Hungerkatastrophen – allein um der Würde und des Lebensrechtes der Opfer willen. Es gibt eine Gegenwart, eine „Immanenz des Bösen”, stellt Ivone Gebara fest. Dies nicht wahrzunehmen und nicht als solche zu benennen, wäre wirklichkeits- und lebensfremd. Und wenn man die Nachrichten liest oder hört, dann weiß man oft nicht, warum es so sein muss, wie es ist.

Gibt es da noch einen Grund zur Hoffnung? Fulbert Steffensky geht auf die Frage ein. Er betont, dass Hoffnung nichts mit dem Glauben an einen guten Ausgang zu tun hat. Für ihn beginnt die „schwere Kunst der Hoffnung erst da, wo man nicht mehr sagen kann, worauf man hofft”. So bleibt uns nur, so „zu tun, als hofften wir”. Es geht dabei nicht um einen verblendeten Optimismus, aber wir brauchen ein Gegenüber zur Sprache der Nachrichten. Wir brauchen nicht nur Todesdaten, sondern auch Lebensbilder, damit wir Zu diesem Heft nicht dem Götzen des Todes die Macht überlassen.

Die Hoffnung braucht Nahrung. Die ökofeministische brasilianische Theologin Ivone Gebara, die in einem Armenviertel lebt, findet den Vorgeschmack auf das, wie es einmal sein soll, nicht in abstrakten Ideen, sondern in kleinen Erfahrungen des Heils mitten im Alltag, „mit dem Leiden vermischt”. Dieses Heil besitzt man nicht ein für allemal, man „muss die Suche immer wieder neu beginnen, wie man täglich von neuem isst und trinkt”.

Hoffnung ist immer eng verbunden mit dem Erzählen von Geschichten, denn Hoffnung ist weniger eine theoretische Angelegenheit, sondern vor allem eine Sache der Praxis. Marie Veit hat Geschichten zusammengetragen, die den Blick darauf lenken, was bereits gelungen ist, und hat „1000 Blumen” an der politischen Basis entdeckt, die es wert sind, beachtet zu werden. Diese Geschichten machen Mut und können Kraft geben, das Kleine anzufangen und Stolpersteine wegzuräumen, wo wir die Berge nicht wegräumen können.

Mit dem Thema Hoffnung hat sich der Theologe Jürgen Moltmann intensiv beschäftigt. Mit seinem 1964 erschienenen Buch „Theologie der Hoffnung” wurde der Tübinger Theologe weltweit bekannt und wird seitdem gelesen – vor zwei Jahren ist bereits die 13. Auflage erschienen. Die Theologin und Journalistin Johanna Jäger-Sommer hat Jürgen Moltmann für die Junge Kirche besucht und ihn unter anderem nach seinen persönlichen Erfahrungen mit der Hoffnung befragt.

Über eine einzigartige Siedlung im Nordosten Münchens berichtet Christian Schüle. Auf dem Grundstück des ehemaligen Außenlagers des KZ Dachau für Zwangsarbeiter, in Ludwigsfeld wohnen heute Menschen aus 22 Nationen friedlich zusammen. In die nach 1945 neu erbauten Wohnblocks zogen zunächst ehemalige Zwangsarbeiter und Flüchtlinge aus dem Osten ein – aber auch ehemalige Nazi-Deutsche, die im Arbeitslager Aufseher waren. Der Donkosake Boris Kuberlinow gründete die Siedlung, die einigen Bewohnern „zum Paradies” geworden ist und in der heute Buddhisten mit Juden, Muslimen und Christen leben und feiern.

Die Pastorin Heike Mahlke hat bosnische Flüchtlinge nach deren Rückkehr in ihrer Heimatstadt Kozarska Dubica besucht. Sie musste dort miterleben, wie Hoffnungen zerstört wurden: Trotzdem hat sie auch heute hoffnungsvolle Initiativen entdeckt, die Wiederaufbau und Versöhnung zum Ziel haben.

Die Redaktion dieses Heftes wünscht Ihnen viel Freude an der Lektüre, eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Jahreswechsel.
Ulrike Plautz

P.S.: Die nächste Ausgabe der Jungen Kirche erscheint im Februar. Über den Hintergrund erfahren Sie mehr auf der folgenden Seite.

Liebe Leserin, lieber Leser,

eigentlich hätten wir an dieser Stelle eine Erhöhung der Bezugsgebühren ankündigen müssen. Sie wäre zum Jahreswechsel unumgänglich gewesen, da die Produktionskosten insgesamt deutlich gestiegen sind. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen eine Alternative überlegt, die wir ihnen vorstellen möchten:

Zunächst bedanken wir uns bei Ihnen herzlich für die Zuschriften und Ermutigungen. Wir freuen uns, dass die Umgestaltung auf Themenhefte bei Ihnen auf ein so positives Echo gestoßen ist. Die Themenhefte haben zu neuen Abonnements und zu einer großen Zahl von Einzelheftbestellungen geführt. Das hat uns ermutigt, den Weg weiterzugehen.

Allerdings bedeutet die Produktion von Themenheften einen höheren finanziellen, aber auch personellen Aufwand. Als einige der wenigen finanziell unabhängigen kirchlichen Zeitungen lebt dieJunge Kirche allein von den Einnahmen aus Abonnements und von Spenden. Andere Zeitschriften, teilweise auch mit geringerer Auflage, erhalten kirchliche Zuschüsse und sind mit vergleichsweise sehr viel größeren Redaktionen ausgestattet. Wie schwer es ist, am Zeitschriftenmarkt ohne Zuschüsse zu bestehen, spürt eine kleine Zeitschrift wie die Junge.Kirche besonders stark.

Um die finanzielle Zukunft der Junge.Kirche zu sichern und den eingeschlagenen Weg mit den Themenheften weiterzugehen, hat sich der Geschäftsführende Vorstand mit der Redaktion, den Herausgeberinnen und Herausgebern sowie den Gesellschaftern und ständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf geeinigt, die Zeitschrift auf ein zweimonatliches Erscheinen umzustellen.

Sie erhalten vom nächsten Jahr an sechs Hefte, statt bisher elf. Die erste Ausgabe erscheint im Februar. Diese Hefte werden dann entsprechend umfangreicher sein. Statt bisher 64 Seiten haben die neuen Hefte einen Umfang von 80 Seiten. Das hat den Vorteil, dass wir noch umfassender auf ein Thema eingehen können. Es wird zudem möglich sein, mehr Zeit für die Vorbereitung und Gestaltung der Hefte aufzuwenden, um die Inhalte besser zu präsentieren. Nicht zuletzt kommen wir auch den Leserinnen und Lesern entgegen, die uns schreiben, dass es ihnen, bei allem Interesse nicht möglich ist, die Zeitschrift jeden Monat zu lesen.

Die Umstellung hat einige Konsequenzen. Was ändert sich? Was bleibt? Wir haben buchstäblich mehr Raum für die Themenschwerpunkte und können eine größere Vielfalt von „Lesestoff” anbieten. Zum Beispiel mehr Gedichte, kurze Erzählungen, Reportagen. Wir möchten so auf das veränderte Leseverhalten in unserer Gesellschaft reagieren, einladender werden, ohne dabei auf tiefgehende theologische und sozialwissenschaftliche Beiträge zu verzichten.

Die Zeitschrift wird weiterhin eine Reihe von bewährten festen Rubriken und Abschnitten haben:
Sozialgeschichtliche Bibelauslegung, Zwischenruf, Personalia, Dokumentation und Rezensionen.
Uberlegt haben wir, in welcher Form wir den Nachrichtenteil fortführen können, von dem wir wissen, dass er von vielen Leserinnen und Lesern geschätzt wird. Es macht unserer Auffassung nach nicht viel Sinn, ihn in bisheriger Form weiterzuführen, da bei einer zweimonatlichen Erscheinungsweise viele der Nachrichten nicht mehr akutell sind. Wir sind deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass der Nachrichtenteil in Zukunft auf das jeweilige Thema des Heftes konzentriert werden soll. Außerdem soll es mehr Hinweise auf Initiativen zum Thema und mehr Literaturtipps geben.

Auch mit dem veränderten Konzept sind wir auf ein breites Engagement für die Zeitschrift Junge.Kirche, auf neue Abonnentinnen und Abonnenten sowie auf Spenden angewiesen. Da der Jungen Kirche der Status der Gemeinnützigkeit bestätigt wurde, ist es uns nun wieder möglich, Ihnen Spendenbescheinigungen auszustellen.

Wir zählen auch in Zukunft auf Sie. Mit Ihrem Abonnement tragen Sie dazu bei, dass die Junge.Kirche als unverwechselbare Stimme in der evangelischen Medienlandschaft erhalten bleibt.

Ihr Geschäftsführender Vorstand
Theodor Immer, Johanna Linz, Günter Reese