Junge.Kirche 2/2000

 

Jetzt dürfen also Frauen in der Bundeswehr den „Dienst mit der Waffe“ vollziehen. Der Europäische Gerichtshof hat beschlossen, dass sie in diesem Arbeitsfeld nicht länger diskriminiert werden dürfen, einem Arbeitsfeld, das ihnen einige Karriermöglichkeiten bietet, und das auch in Zukunft noch wichtig sein wird. Wenn man und frau die Folgen des NATO-Krieges gegen Jugoslawien näher betrachtet, scheint es, dass die Bundeswehr weder Waffen noch Personal abbauen wird, im Gegenteil.

Die USA haben im Krieg gegen Jugoslawien gezeigt, wie potent und überlegen sie Krieg führen können. Sie demonstrierten den NATO-Bündnispartnern und der Welt ihre militärische Vorrang-stellung. Sollen Frauen der Bundeswehr etwa ein menschlicheres, weicheres Gesicht geben? Wird die Bundeswehr, deren Sinn bis vor kurzem für viele nicht mehr einsehbar war, demnächst häufiger bei sogenannten „humanitären Interventionen“ nötig sein? Diese und viele andere beunruhigende Fragen beschäftigen mich in Auseinandersetzung mit den Folgen des Krieges in Jugoslawien vor einem Jahr. Eine wichtige und unter vielen von uns heiß umstrittene Frage ist die nach dem berechtigten Einsatz von militärischen Mitteln. Gibt es nicht doch Situationen, in denen gewaltlose Mittel versagt haben und die Waffen als letzte Lösung eingesetzt werden müssen? Können Christen und Christinnen in jedem Fall Krieg als Mittel der Politik ausschließen? Gilt diese alte Forderung der Friedensbewegung noch nach dem NATO-Jugoslawien-Krieg, oder gilt sie jetzt erst recht?

In diesem Heft veröffentlichen wir im ersten Teil zwei Beiträge mit unterschiedlichen Positionen. Wolf-Dieter Narr, Roland Roth und Klaus Vack halten ein engagiertes Plädoyer für den Verzicht auf alle kriegerischen Mittel. Hans-Jürgen Benedict hebt in seinem Artikel die ganzen Zweifel an einer pazifistischen Grundhaltung ins Bewusstsein, die bei vielen Menschen während des Krieges in Jugoslawien entstanden sind. Er spricht sich für ein begrenztes Ja zu einer militärischen Friedenserzwingung unter bestimmten Bedingungen aus. – Meinungsäußerungen von Leserinnen und Lesern zu dieser Kontroverse sind willkommen.

Manche denken, sie sei längst tot oder zu schwach, die deutsche Friedensbewegung. Andreas Buro blickt auf die Entwicklung der Friedensbewegung zurück. Dabei wird deutlich, dass die Friedensbewegung in vielfältigen Formen weiterhin existiert. Der Autor betont den notwendigen Kampf gegen die Ideologie des „gerechten Krieges“ und fordert die Ausarbeitung der Alternative: zivile Konfliktbearbeitung. Werner Dierlamm berichtet über die schon entfaltete Idee des zivilen Friedensdienstes und deren Verwirklichung, zum Teil mit staatlicher Unterstützung. Daneben steht das „Zeugnis“ einer engagierten Pazifistin, Hanna Fetköter. Sie beschreibt ihren Weg als Friedensstreiterin und ihre Mühen mit der Kirche unterwegs.

Nachdenklich und traurig stimmt die Erfahrung eines Dorfes in Kolumbien, das sich zur Friedensgemeinde erklärt hat. Ihr Gewaltverzicht mindert die Bedrohung durch Guerilla und Militärs (vorerst) nicht. Ist die Utopie von Gewaltlosigkeit, Pazifismus völlig realitätsfern? Lassen Sie sich von den Artikeln neu zum Nachdenken anregen. Um nicht wieder in eine solche Lähmung zu verfallen wie im letzten Jahr, ist es wichtig, dass wir uns diesem komplexem Thema immer neu stellen. Meine Hoffnung ist, dass wir dann mutiger für den Frieden kämpfen können.

Ich begrüße besonders Ulrike Plautz. Sie arbeitet wieder als hauptamtliche Redakteurin für die Junge.Kirche und wird sicher ihre Kreativität und Begabung in die Gestaltung der Zeitschrift einfließen lassen. Darüber freuen wir uns und wünschen ihr Erfüllung bei der Arbeit. Zum letzten Mal hat Hannelore Matthes den Nachrichtenteil des Heftes zusammengestellt. Sie wird Ende März in den Ruhestand gehen. Es ist noch zu früh, ihr an dieser Stelle für ihre mehr als 40-jährige Tätigkeit zu danken, so will ich mich darauf beschränken, Ihnen diesen Teil des Heftes zur Lektüre zu empfehlen, von dem wir wissen, dass er von vielen Leserinnen und Lesern hoch geschätzt wird.

Wie Sie vielleicht beim Lesen schon bemerkt haben, richten wir uns ab dieser Ausgabe auch im Aufsatzteil nach den Regeln der neuen Rechtschreibung.

Es grüßt Sie und Euch aus dem Norden
Bärbel Fünfsinn