Junge.Kirche 3/2005

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 27. September 1940 nahm der Berliner Philosoph Walter Benjamin sich auf der Grenze zwischen Frankreich und Spanien das Leben. Die Gruppe von Flüchtlingen, zu der er gehörte, hatte vergeblich versucht, dem Nationalsozialismus zu entkommen. Im Jahr seines Todes, kurz nach dem Hitler- Stalin-Pakt von 1939, hatte Benjamin seine „Thesen über den Begriff der Geschichte„“ geschrieben. In einer Zeit, in der für ihn, den Juden und Marxisten, die Geschichte zu Ende ging, formulierte Benjamin die messianische Hoffnung, dass „jede Sekunde“ eine „kleine Pforte [ist], durch die der Messias treten“ kann.

Für Benjamin kommt die Kraft unseres Engagements aus der Vergangenheit, die darauf wartet, erlöst zu werden. Es ist das ungesühnte Unrecht, es sind die Tränen und die Sehnsucht der Menschen, die uns vorangegangen sind, die uns in die Verantwortung rufen. Der Zorn und die Opferbereitschaft, die aus diesem Gedenken entspringen, nähren unser Engagement. Diese Kraft, die in der Vergangenheit beschlossen liegt, ist für Benjamin sogar stärker als die Orientierung an dem Ideal einer besseren Zukunft. Jede Generation, so Benjamin, hat "eine schwache messianische Kraft" bekommen, "an welche die Vergangenheit Anspruch hat". Gedenken im Sinne Walter Benjamins ist somit kein rückwärtsgewandter Akt, auf den wir eventuell auch verzichten könnten. Gedenken ist die Quelle unseres Engagements.

Im zweiten Teil dieses Heftes finden Sie u. a. Berichte vom Kirchentag. Im nächsten Heft werden weitere folgen (Ebach, Käßmann). Es hat uns sehr gefreut, dass wir als Junge.Kirche mit so vielen Menschen auf diesem Kirchentag (im Bibelzentrum) präsent sein konnten. Allen, die mitgearbeitet haben – am Stand, im Café, auf den Podien, mit den Sandwichen – herzlichen Dank!

Gerard Minnaard

Focusgruppe dieses Heftes:
Gerard Minnaard, Rona Röthig, Martin Stöhr, Hans-Georg Vorndran